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Grüße von Cloud 7 – ein Antwortversuch auf Siegfried Krückberg

Der Artikel von Siegfried Krückeberg “Leben auf Cloud 7″ im Deutschen Pfarrerblatt stellt in Sachen Digitalisierung eine hohe Hürde auf und reißt sie. „Computertechnologie und Internet haben bisher noch keines der großen Probleme der Menschheit gelöst wie Krieg, Armut, Ungerechtigkeit oder Umweltverschmutzung.“ Mit diesem Anspruch könnte man auch die Vereinten Nationen ablehnen. Oder die Erfindung des Schießpulvers. Oder die christliche Religion. „Die großen Probleme der Menschheit“, mit dieser Kanone zu schießen bringt nichts.

Auch ein anderer Kunstgriff von Professor Krückeberg macht das Antworten schwer: das Behaupten und Einführen einer Quasireligion. „Ganz anders sehen das natürlich diejenigen, die die digitale Welt dominieren und weitgehend kontrollieren. Aber auch ihre Worte und ihr Handeln zeigen, dass sie durchaus mit einem moralischen, wenn nicht sogar religiösen Anspruch auftreten. »Don’t be evil – sei nicht böse!« heißt die Anweisung von ­Google-Chef Eric Schmidt für seine Mitarbeiter. Und Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gibt die Devise aus: »Make the world better – mache die Welt besser.« Zitat Ende.

Die Welt besser zu machen und das Gute im Menschen nach vorne kehren sind auch christliche Werte und vielleicht reagieren Digitalkritisierer deswegen so apologetisch, weil ihnen da jemand ihr Lieblingsspielzeug weggenommen hat und – was für eine Blasphemie – damit auch noch erfolgreicher ist.

Heruntergebrochen auf den hier versuchten Diskurs werden so aber auch alle, die in und mit der Digitalisierung arbeiten zu Anhängern einer falschen Religion erklärt. Was den Dialog unmöglich macht. Das habe ich schon im Gespräch mit dem auch von Krückeberg zitierten Werner Thiede feststellen müssen. Die Wiedereinführung der Säulenheiligen steht kurz bevor.

Das Leben des Brian

Wie aber, wenn man es dennoch inhaltlich versucht? Will man die positiven Seiten der digitalen Transformation betrachten kommt man sich oft vor wie die Aufständischen in „Das Leben des Brian“. Was haben die Römer denn schon Gutes für uns gebracht? fragen sie sich. Nichts! Außer Kanalisation, Straßen, Sicherheit … die Reihe ist dann lang. Ein ähnliches Gefühl stellt sich beim Lesen des Artikels ein. Denn da wird einiges benannt um dann schnell in ein einzelnes Gefährliches abzugleiten. Hilfen für Beeinträchtigte ja, aber diese datensammelnde Barbie! Arbeitserleichterungen in der Landwirdschaft ja, aber es darf keine Arbeitsplätze kosten. Selbstfahrende Autos und Sicherheitssysteme ja, aber der Mensch muss die Kontrolle behalten. Das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt wäre vermutlich noch schlimmer ausgefallen, hätte der LKW nicht auf Grund eines Sicherheitssystems automatisch gebremst!

Nein, wer Digitalisierung ablehnt muss dann schon so sauber bleiben, dass man nicht ein bisschen digital gut findet, wenig Apps auf dem Smartphone hat und ansonsten diejenigen belächelt, verteufelt oder kritisiert, die ganz gerne und ziemlich erfolgreich damit leben und arbeiten. Es kann aber von jedem Nutzer und jeder Nutzerin auch verlangt werden, dass er und sie nur das Tool anwendet, dessen Sicherheitseinstellungen, Datenspeicher, Möglichkeiten und Gefahren man kennt und einschätzen kann. Ich entdecke bei Digitalkritikern oft eine erschreckende Ahnungslosigkeit mit dem IPhone in der Hand.

Irgendwas mit Medien

In der Medienkritik beobachtet Krückeberg viel Richtiges, das man bei Johanna Haberer gut nachlesen kann. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass Massenmedien ein verhältnismäßig junges Phänomen sind und von Anfang an von Verlegern und deren Macht geprägt waren, dreht sich das Bild ein wenig. Natürlich ist das, was Journalistinnen und Journalisten recherchieren vielfach sorgfältiger, wahrhaftiger und klug ausgewählt und fast immer besser als das, was in Sozialen Medien an „Informationen“ umherschwirrt. Doch auch der Qualitätsjournalismus basierte auf einem mittlerweile zerbrochenen Monopol, das der öffentlichen Meinung, die es nicht mehr gibt. Es haben sich Parallelwelten gebildet mit eigenen Medien, eigenen Wahrheiten und eigenen Gesetzen. Kirche muss einsehen, dass sie in Gefahr ist, zu einer dieser Welten zu werden und damit für viele irrelevant. Weil Christinnen und Christen zur Freiheit berufen sind, sollten sie das auch leben und eben die unterschiedlichen Filterblasen infiltrieren, im Netz aktiv sein und Menschen da erreichen, wo sie sind. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!

„Setze dich an den Fluß …

… und warte bis die Leiche deines Feindes vorbeischwimmt“ ist ein beliebtes kirchliches Schema, wenn es um Kritik an die Digitalisierung geht. Alles wird immer so schnell! Und die Menschen werden dadurch deformiert! Nein, ich weiß nicht wohin die Reise im digitalen Raum hingeht. Aber ich glaube auch, sich als Kirche an den Wegrand zu setzen und zu sagen “Sagt, wenn ihr angekommen seid, dann spielen wir wieder mit” wird nicht funktionieren. Wenn Nachfolge gefragt ist, müssen wir auch mitgehen. Und wenn Menschen mehr und mehr im digitalen Raum unterwegs sind, ist es müßig über den Sinn der Arbeit im Analogen zu reden. Denn viele Menschen kommen ganz gut mit der Datenflut zurecht und nicht wenige nutzen das, um persönlich wirtschaftlich erfolgreich tätig zu sein. Ja, es werden dabei Berufe verschwinden. Und neue entstehen. Als Kirche sich auf die Seite der Verlierer zu schlagen, heißt mit zu verlieren und sich nicht um die zu kümmern, die in der digitalen Welt angekommen sind. Auch die brauchen nämlich Evangelium!

Deswegen ist auch der zweite Teil des Artikels deutlich hilfreicher als der erste. Denn die beschriebenen Gefahren sind gut beschrieben. Was fehlt ist die theologische Antwort. Wer eine „zunehmende Wissenskluft“ beschreibt, muss für Kirche ähnlich einer „Option für die Armen“ eine „Option für die Abgehängten“ beschreiben. Wenn – richtig beobachtet – Menschen vom Subjekt zum Objekt degradiert werden, dann können wir auf die Mündigkeit von Christinnen und Christen verweisen und als Gerechtfertigte Widerstand leisten. Eine „Totale Kommerzialisierung“ kann Kirche aufdecken, wenn sie ehrlich Rechenschaft gibt über ihre Finanzen und medienethisch Aufklärung betreibt, was Menschen alles preisgeben um angeblich etwas günstiger oder leichter zu bekommen. Selbstbestimmung und die Entwicklung eigenen Denkens ist Aufgabe für kirchliche Bildung und die heilsame Unterbrechung kennen Kirchen seit Jahrhunderten. Wir müssen sie dann halt auch leben und nicht als Pfarrerinnen und Pfarrer dauergestresst durchs Land fahren, von Stille zu Stille hetzend.

Spannend ist auch die Wechselwirkung zwischen Ich und Feedback der anderen. „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ fragt schon Jesus seine Jünger und die antworten mit dem der Massen. Ist das schon Sündenfall oder nicht nur Leben mit der menschlichen Realität. Auch in Kirchengemeinden werden Menschen ausgerichtet und schlecht über sie getratscht. Sie deswegen abschaffen? Fordert keiner!

Deswegen Kirche sein! Digital! Analog! Der Welt zugewandt!

Es wird also unsere Aufgabe sein, in einer schnelleren, gestaltbaren und technischer gewordenen Welt als Menschen so zu leben, wie Gott es sich gedacht hat. Oder sich aus der Welt zu verabschieden, weil sie böse geworden ist. Was Krückeberg fordert ist letztlich dann doch ein netzpolitisches Engagement! Wie viele andere auch. Und seine Erkenntnis kommt spät, fast zu spät: „Daraus folgt, dass die Kirche nicht mehr nur als eine abgeschlossene, homogene Lebenswelt gedacht werden kann, sondern sie konstituiert sich ebenso in den Vorstellungen und Gefühlen der in der Medienwelt interagierenden und miteinander vernetzten Individuen. Deshalb können die verschiedenen kirchlichen Gruppen vor Ort auch diejenigen als potentielle Mitglieder der Kirche betrachten, die von der befreienden Botschaft der geschenkten Gnade gehört haben und sich selbst als Kinder Gottes ­sehen.“

Nachlese Re Publica 2014

Von 6. bis 8. Mai fand in Berlin die Re Publica 14 statt, ein Füllhorn an Ideen und Eindrücken. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich ein paar der Beiträge hier empfehlen. Alle Vorträge der #rp14 sind auf YouTube zu sehen.

Sascha Lobo zur Lage der Nation – ein Apell zum Kampf um die Freiheit des Internets, leidenschaftlich, politisch und provokant. Eingeflochten in den Vortrag ist auch die Heise-Timeline zum NSA-Skandal. Schon die ist es wert, immer wieder gelesen zu werden.

Einen klugen Beitrag lieferten Moritz Hoffmann, Charlotte Jahnz  zum Twittern von Geschichtsereignissen. Sie vertwitterten unter @9nov38 die Ereignisse um die Reichsprogromnacht. Ähnliche Aktionen liefen auch schon zu anderen Geschichtsereignissen. Ich plane einen Tweet zum Reformationstag 2017.

Rechtshilfe brachten Thorsten Feldmann und Henning Krieg auf die Bühne. In ihrem Saisonrückblick 2014 zu Social Media & Recht gingen sie auf alle gängigen Rechtsfragen in Sachen Social Media ein. Fast ein Pflichtprogramm.

In Bildmedien der Zukunft wirft Harald Klinke einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft der Wahrnehmung und den Gebrauch von Bildern. Wichtig für alle, die sich mit Bildsprache beschäftigen.

In Todessternsünden versucht Laura Sophie Dornheim “Sünde” neu zu definieren. Ein Beitrag von außerhalb des Glaubens und doch irgendwie religiös. Das Ende könnte man sich schenken aber die Konkretionen sind sehr interessant.

Und sind alle im Netz? Nein, es gibt einen Teil der Gesellschaft, der ohne Internet lebt, auf Zeit oder immer. Doch wieso? In “Into the Wild? Nicht mit mir!” gehen Forscherinnen der Frage nach, warum Menschen das Netz (oder Teile davon) nicht nutzen. Für kirchliche Arbeit nützlich.

Und zuletzt: In seinen “Pastorenstückchen” formulierte die Areopag-Rede des Paulus nach der Re Publica neu. So geht digitale Theologie.