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Eigentlich nur Mut

Für das Magazin “WeiterSehen” des AfG hat Kerstin Dominika Urban mich befragt. Hier das Interview:

“Eigentlich nur Mut”
Kerstin Dominika Urban im Gespräch mit Pfarrer Christoph Breit über den Umgang mit den social media in der Kirche (WeiterSehen 02/2013 9)

Herr Breit, Sie haben seit 1. Juni eine Projektstelle für Social Mediaund Networkmanagment in der ELKB inne. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt? Und womit waren Sie in den ersten Wochen beschäftigt?

Publizistik, Öffentlichkeitsarbeit und Internet ist schon lange mein Ding. Und so hat mich an der Ausschreibung der Projektstelle Social Media gereizt, die Möglichkeiten für Kommunikation des Evangeliums im so genannten Web 2.0 auszuloten und da was zu bewegen. Und natürlich haben mich auch die tollen Kolleginnen und Kollegen gelockt, die in diesem Bereich schon viel Erfahrung haben und arbeiten.

Der Anfang war dann recht nüchtern: technisch ins Laufen kommen, das Team von P.Ö.P. und seine Abläufe kennen lernen und Ansprechpartner herausfinden. Dann habe ich Kontakt zum Team um den Landesbischof geknüpft und meine Projektstelle bei den Abteilungsleitenden sowie bei den Regionalbischöfinnen und – bischöfen bekannt gemacht. Das ist geschehen und jetzt entwickeln sich Projekte und Ideen in verschiedenen Handlungsfeldern. Weiter hat die Arbeit auf Dekanatsebene mit thematischen Einheiten in den Pfarrkonferenzen und die Vernetzung mit anderen Stellen wie der Evangelischen Jugend in Bayern begonnen. Auch das lässt sich gut an.

Social media – mission possible – welche Chancen (und Grenzen) sehen Sie in der Nutzung dieses Mediums?

Mir sind da die Chancen wichtiger als das Nachdenken über Gefahren und Grenzen. Kirchenmenschen haben eher Angst vor einem „Shitstorm“ als davor, dass in ihrem Laden der Geist nicht mehr weht. Die Chancen von social media sind, verschiedenste Möglichkeiten – es gibt ja viel mehr als Facebook und Twitter – zum Teil der eigenen Kommunikation zu machen. Das setzt voraus: Ich will kommunizieren. Und: Ich setze mich und meine Botschaft der Diskussion aus. Bei beidem sehe ich in unserer Landeskirche Nachholbedarf.

Ich glaube, es genügt nicht mehr zu sagen: „Wir haben eine frohe Botschaft und wenn die Leute nicht kommen und sie hören wollen, also bei uns abholen, sind sie selbst schuld“. Das Wort will gesprochen sein und ausgesandt werden. Da einzelne Kommunikationskanäle nicht zu nutzen oder sie gegen eine immer „bessere“ direkte Ansprache als „nur virtuell“ abzuwerten, hilft nicht. Jede Form hat ihren Wert und nebenbei: die jüngeren „digital natives“ machen diese Unterscheidung nicht. Da sind social media Teil der Kommunikation und nicht „nettes“ Nebengleis.

Wenn das läuft, können wir uns gerne über Grenzen unterhalten. Sicher: Die müssen wir im Blick haben. Neben der scheinbar unvermeidlichen Abhör-Debatte sind wichtig: Social-Media- Guidelines, die Begleitung und Sensibilisierung von Jugendlichen wie im Web-Check der EJB und Probleme wie Cybermobbing und Datenmissbrauch. Da draufzuschauen ist auch Teil meiner Arbeit.

Was braucht es, um facebook, twitter und Co. zu nutzen?

Eigentlich nur den Mut, etwas zu wagen. Ich habe meine Arbeit in der Gemeinde immer als frei und unabhängig empfunden. Man kann bei uns im Vergleich zur freien Wirtschaft vieles ausprobieren und manch Altes auch auf den Prüfstand stellen. Die technischen Voraussetzungen in den social media sind gering, die Kosten ebenso, der Gebrauch der unterschiedlichen Plattformen leicht zu erlernen und wer Schulung braucht, ist bei der „Vernetzten Kirche“ gut aufgehoben. Also: Anfangen, etwas wagen, Fehler machen, und sich vorher überlegen: Was und wen will und kann ich womit erreichen. Je genauer die Zielvorstellung, desto größer der Erfolg.

Was ist für Sie nach der kurzen Zeit bisher das Herausforderndste gewesen?

Ganz klar: gepflegtes Halbwissen und Vorurteile. Ja, es gibt Menschen, die posten, dass sie aufs Klo gehen oder was sie gerade essen. Und nein, das braucht keiner. Das ist aber nicht mein Arbeitsfeld. Es geht mir um professionelles Nutzen der social media, also um jenen bewussten Mix aus Inhalt und Privatem, der die Botschaft des Evangeliums beflügelt. Wer etwas Schönes erlebt hat, kann das dankbar mit anderen teilen. Und wer ein Problem diskutieren will, findet schnell andere, die mitdenken und mitreden. Social Media sind da eine Möglichkeit und per se genauso schlecht oder gut wie Schießpulver, Rotwein oder Fernsehen. Es kommt auf die Nutzung an.

Wie spielen aus Ihrer Sicht die normalen Websites mit social media Plattformen sinnvoll zusammen?

Normale Websites sind immer die Basis, über deren Inhalte ich auch selbst bestimmen kann. Auf Facebook bin ich Gast, die eigene Homepage ist mein Pool für meine Kommunikation. Wer sich also in die social media aufmacht, sollte im Bereich Web 1.0 seine Hausaufgaben machen. Musterwebsite, Evangelische Termine, Schulungen … alles, was Gemeinden brauchen, gibt es. Von dieser Plattform aus lässt sich dann agieren und Schritt für Schritt die eigene Kommunikation erweitern.

Das ist übrigens keine zusätzliche Aufgabe, wie oft bemängelt wird, sondern eher ein Systemwandel. Wir sind nicht Verwalter der göttlichen Botschaft, sondern die, die mit anderen in Beziehung kommen wollen. Das geht in den social media. Wenn das in den nächsten drei Jahren gelingt, bin ich froh.

Lesestoff: Jenseits der Parochie

Das Internet verändert nicht nur unser Kommunikationsverhalten, sondern auch unsere Lebenswelt. Das “social web” bietet neue Vergemeinschaftungsformen. Hat das auch Relevanz für die pfarrdienstliche Tätigkeit? Und wie verändern diese Medien Verkündigung und Gemeindearbeit? Die Autoren des folgenden Beitrags plädieren dafür, “Facebook & Co” aktiv zu nutzen und das “soziale Netz” als Teil pfarrdienstlicher Aufgaben wahrzunehmen.

Artikel von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, Ralf Peter Reimann und Alexander Ebel, erschienen im Deutschen Pfarrerblatt (Ausgabe: 2 / 2013)

http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=3323