Archiv für den Monat: August 2016

FAQs: Sind Social Media nicht bloß Zeitfresser?

Eigentlich keine Frage sondern ein Vorwurf: Social Media würde nur viel Zeit kosten und das wirklich Wichtige im Leben verhindern. Die Antwort darauf ist weniger Antwort als Stellungnahme. „Wenn es für dich so ist, dann lass es! Ich ziehe großen Nutzen daraus.“

Klar ist dabei, dass Facebook und Co wie alles im Leben Zeit kostet. Zeit, die man bekanntlich nur einmal aufwenden kann und die für etwas anderes fehlt. Dabei muss jeder und jede für sich selbst entscheiden, wem oder was er Aufmerksamkeit schenkt oder wem oder was nicht. Kritiker der Sozialen Medien haben dann gerne meist Jugendliche vor Augen, die mit dem Smartphone in der Hand durch die Gegend laufen und weder andere Menschen noch die Welt um sich herum wahrnehmen. „Die haben keinen Blick für das wahre Leben!“ heißt es dann.

Selbst aber wenn dem so ist, ist das deren freie Entscheidung, die man nicht unbedingt kommentieren muss. Für den eigenen Lebens- und Verantwortungsbereich kann man das jedoch durchaus fordern oder einfordern. Beispiele wie das gemeinsame handyfreie Essen oder Konfirmandenunterricht ohne einen Stöpsel im Ohr gibt es viele.

Klar ist aber auch, dass Soziale Medien wie alle Kommunikationsformen menschliche Beziehungen ermöglichen und am Leben erhalten (können). Und das kostet eben Zeit. Wer also den Zeitfresser-Vorwurf erhebt, muss auch andere Aktionsformen wie Meetings oder Telefonate einer kritischen Untersuchung aussetzen. Und Facebook und Co brauchen sowie alle Medien Zeiten, in denen man sich mit ihnen beschäftigt und Zeiten, in denen anderes wichtig ist.

Sind Social Media nicht bloß Zeitfresser? Nein, sie kosten wie alles im Leben Zeit und jeder und jede muss sich bewusst dafür entscheiden, wem oder was er seine Lebenszeit schenkt. Nur deswegen, weil etwas immer da ist, muss man sich nicht ständig damit beschäftigen.

FAQs: Lohnt es sich, als Gemeinde in die Sozialen Medien zu gehen?

„Lohnt sich Facebook?“
„Kommen dann mehr Leute in den Gottesdienst?“
„Wir haben ja schon so viel zu tun, jetzt auch noch Social Media!“

Fragen wie diese von Mitarbeitenden zu den Sozialen Medien sind verständlich und kommen häufig. Nach Plakaten, Werbung, Kontakt zu Zeitungen, Mailings und anderen Aktionen erscheinen Social Media vielen wie eine weitere Form der Belastung, die man „jetzt auch noch“ erledigen soll. Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungspflege oben drauf gesattelt. So wie vieles andere auch. Wer so die Frage nach dem „lohnt es sich?“ stellt, kann sie getrost mit Nein beantworten. Darf sich aber nicht wundern, wenn in ein paar Jahren noch weniger Menschen von seinen Aktionen erfahren.

Denn die erste Frage muss sein: Erreiche ich eigentlich noch die Menschen, die ich erreichen will? Kirchliche Öffentlichkeitsarbeit nutzt nach meiner Beobachtung vielfach noch die Mittel, die in den 70ger und 80ger Jahren des letzten Jahrhunderts gut funktioniert haben und die durch (mittlerweile auch in die Jahre gekommene) Untersuchungen in ihrer Reichweite gut belegt waren: Gemeindebrief und Plakat. Übersehen wird, das papiergebundene Werbung und Öffentlichkeitsarbeit naturgemäß eines nicht kann, das den Sozialen Netzwerken zu ihrem Erfolg verholfen hat: das Teilen-Können (also das Weiterleiten und nicht das physikalisch Teilen eines Papierblatts). Jeder Post und jede Nachricht in den Sozialen Netzwerken lässt sich leicht weiter verbreiten und gewinnt dabei noch eine wertvolle Zutat: die persönliche Bindung.

Beispiel: Einen Artikel im Gemeindebrief kann Erna ihrem Mann Heinz zeigen und Heinz kann ihn ausschneiden und den Kollegen in die Arbeit mitbringen. Einen Post auf Facebook oder in anderen Sozialen Netzwerken wird durch Ernas Teilen zu Ihrer Empfehlung, die sie auch kommentieren kann: „Schaut mal, was ich in der Gemeinde gefunden habe. Da gehe ich hin. Heinz auch. Wer kommt mit?“ Größere Reichweiten sind so leichter möglich als via Papier.

Für die Frage „Lohnt es sich, als Gemeinde in die Sozialen Medien zu gehen?“ klären Sie also zuerst, welche Medien zur Öffentlichkeitsarbeit sie zu Zeit nutzen, wie viel Zeit Sie dafür aufwenden und wie viele Menschen Sie damit erreichen? Und – ganz wichtig – ob das die Leute sind, die sie erreichen wollen? Leichter fällt das übrigens mit einem Betrachter von außen, vielleicht aus einer entfernten anderen Gemeinde oder mit Journalisten der Lokalzeitung.

Wenn Sie zum Schluss kommen, Sie möchten mehr Menschen erreichen oder erreichen bisher die falschen, überlegen Sie, welches Medium verzichtbar ist oder auch mit weniger Aufwand zu machen ist. Und wenn Sie so eine halbe Stunde Arbeit pro Woche frei bekommen, überlegen Sie, mit welchem Sozialen Medium Sie ihre Zielgruppe besser erreichen.

Ganz grob: Jugendliche mit WhatsApp und Instagram und junge Erwachsene und Erwachsene mit Facebook. Diese halbe Stunde lohnt sich. Nach einem halben Jahr evaluieren Sie die Zahlen und dann können Sie weiter überlegen.

Und damit auch die drei Eingangsfragen beantwortet sind:
„Lohnt sich Facebook?“ > Unter Umständen sehr, es kann aber auch eine andere Plattform besser sein
„Kommen dann mehr Leute in den Gottesdienst?“ > Ich denke Ja. Aber haben Sie das bei anderen Medien auch schon untersucht?
„Wir haben ja schon so viel zu tun, jetzt auch noch Social Media!“ > Nicht “auch noch”. “Anstatt”.

(In der Reihe FAQs beantworte ich Fragen, die ich häufig bei meinen Fortbildungen höre. Meistens von kirchlichen Mitarbeitenden. So wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen in anderen Landeskirchen. Fall Sie eine Frage vermissen, schreiben Sie mir bitte eine Mail.)