Archiv für den Monat: März 2015

#twomplet tut gut

„Ein Onlinegebet auf Twitter? Funktioniert das?“ … Diese Frage bekomme ich so oder ähnlich oft gestellt. Seit Sommer 2014 bete ich regelmäßig mit, seit Januar 2015 übernehme ich zwei twomplet im Monat. Meine Erfahrung: Hier entsteht eine wirkliche Gebetsgemeinschaft in der Community. Und wie schon bei anderen Internetformaten gleicht die Interaktion der in „realen“ kirchlichen Formen:

Viele feiern mit aber nur wenige beteiligen sich. Würde jeder, der die Tweets verfolgt, nur eine Interaktion zeigen, läge die Beteiligungsquote bei rund 5 Prozent. Da einige User mehrfach reagieren, dürfte die Quote bei der internetüblichen Beteiliung von 1 Prozent liegen.

Viele feiern mit und wenige verursachen Störungen. Wie in Kirchen stolpern einzelne User verspätet in die Andacht oder führen Nebengespräche. Das „Psst“ der anderen folgt umgehend.

Die Reichweite liegt der mit bis zu 20.000 Usern pro Twomplet gemessen an den täglichen Tweets in Deutschland im kirchentypischen Rahmen. Absolut betrachtet ist die Zahl aber beeindruckend. Die #twomplet am Tag des Absturzes der Germanwings-Maschine erreichte über 19.000  Nutzer mit 776 Interaktionen.

Technisch muss die Twomplet vorbereitet werden und in einzelnen Tweets veröffentlicht werden. Ich nutze dazu ein Word-Dokument als Vorlage, aus dem mit Copy und Paste in Twitter übertragen wird. Ein zweiter Rechner als Sicherheit und zum Verfolgen der Reaktionen sowie zum Abspielen der Musiken ist sinnvoll.

Fazit: #twomplet ist aus meiner Sicht ein (fast schon) bewährtes Format für tägliche online-Andachten.

Es gibt kein analoges Leben im Digitalen – eine Antwort auf Ulrich Schneider-Wedding

Im Korrespondenzblatt des Pfarrerverein (März 2015) veröffentlichte Pfarrer Ulrich Schneider-Wedding einen Artikel mit der Überschrift “Blinde Kirchen-Einigkeit bei der Digitalisierung? – Über eine erstaunlich sanfte EKD-Kundgebung und einen einsamen Rufer in der Wüste”.

Eine Replik habe ich auf Anfrage von Schriftleiter Martin Ost in der gleichen Ausgabe veröffentlich. Hier der Artikel:

Es gibt kein analoges Leben im Digitalen
Wie Kirche sich der Digitalisierung stellt und stellen kann

Es mutet an wie ein Kulturkampf: Bewahrer des echten Lebens und der menschlichen Autonomie gegen die Jünger der Digitalisierung[1]. Unversöhnlich scheinen die Fronten und jeder Versuch, das Thema in Worte zu fassen oder gar in der digitalen Welt zu leben und zu arbeiten wird zum Verrat an Gott, am eigenen Ich, ja am Leben überhaupt. Biblische Gestalten aus Markus 1,3 treten auf als „Rufer in der Wüste“, der für seine Äußerungen einen „kleinen, aber gemeinen Shitstorm“[2] ertragen muss. HERR, höre die gerechte Sache, merk auf mein Schreien!

Doch dem Thema „Digitalisierung“ wird man so nicht gerecht. Denn es ist vielfältig und betrifft verschiedenste Felder menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Im Wesentlichen: 1. Digitalisierung als Teil der technischen Entwicklung, 2. Digitalisierung als Art und Weise der Nutzung von Daten und 3. Digitalisierung in der Kommunikation. Dabei ist der Mensch immer zugleich Subjekt und Objekt dieser Entwicklung und – in unserem Fall – Kirche Teil und Kritiker der Digitalisierung, simul iustus et peccator.

Noch konkreter wird es, wenn man Michael Seemann ernst nimmt und Recht gibt, der auf dem Internettag der ELKB 2014 sagte: „Es gibt kein analoges Leben im Digitalen. Ist man Teil der Welt, wird man Teil des Internets sein.“ Eine Position, die ich auch vertrete und aus der heraus Kirche nur zwei Wege gehen kann: entweder zurück in die analoge Welt a la Amish-People und eine Kirche ohne Computer, Handy, (digitales) Telefon und Internet sein. Oder sich dieser Realität stellen und in dieser Welt arbeiten und verkündigen. Probleme hätte ich mit keiner der beiden Welten, lieber ist mir aber die digitale. Wehren möchte ich mich jedoch gegen ein eklektisches Dazwischen nach der Art: Digitalisierung Ja, ich bestelle im Internet, telefoniere auch von unterwegs und freue mich, wenn mein Navi mir den Weg zeigt. Und Digitalisierung Nein, ich fürchte mich vor Elektrosmog und dem gläsernen Mensch-Sein und empfinde die Übersetzung von Kommunikation in maschinenlesbare Formate als Vorboten des Weltuntergangs. Ich sage: Ein bisschen digital geht nicht. Was also tun?

In erster Linie ist für mich Digitalisierung in den genannten drei Feldern reizvoll. Die Möglichkeiten zu kommunizieren, technische Geräte zu nutzen und mit Daten zu arbeiten sehe ich als Chance, auch für meine Kirche, und ich kann nicht nachvollziehen, dass allein das Chancen-Sehen schon schlecht ist. Weil ich aber die positiven Seiten sehe und mich in die Möglichkeiten der Technik einarbeite, treten für mich auch die Probleme und Missbrauchsmöglichkeiten deutlicher zu Tage. Deswegen fällt es mir schwer, mit Menschen zu diesem Thema ins Gespräch zu kommen, die Digitalisierung quasi von außen kritisieren und dabei Urteile treffen, ohne etwas selbst einmal probiert zu haben.

Als Beispiel: Wenn Kommunikation in den Sozialen Medien nur als Ansammlung von „Pseudo-Nachrichten“ verstanden wird und User „aufgeplustert herumgockeln“, dann deckt sich das nicht mit meinen Erfahrungen als Pfarrer in den Sozialen Medien, in denen sehr wohl auch (!) „Kommunikation des Evangeliums“ stattfindet und stattfinden kann. Jede Form der Kommunikation fördert und unterdrückt zugleich verschiedene Ebenen und Botschaften unseres miteinander Kommunizierens. Und nur weil etwas digital ist, ist es nicht minderwertig. Es ist nur anders. „Herumgockeln“ ist mir eher aus Pfarrkonferenzen vertraut.

Die evangelische Kirche befindet sich (wie viele andere auch) also auf einem Weg des Herausfindens, was – theologisch gesprochen – der Verbreitung des Evangeliums dienlich ist und das Christsein in der Welt bezeugt … und was eben nicht.

Mindestens unfair erscheint es mir da, die „Kundgebung zur Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“ der Synode der EKD in Dresden als angebliche Position der Kirche zu verkaufen und darüber herzufallen, wie sie damit ihr „erstaunlich undifferenzierte(s) Mitmachen im Mainstream“ dokumentiere. Wer die Entstehungsgeschichte des Papiers und den Weg dorthin mitverfolgt hat, weiß, dass es ein ausgezeichnetes und sorgfältig zusammengestelltes Lesebuch zur Tagung gibt, das alle kirchlichen Angebote und alle Problematiken umfassend darstellt[3]. Er hat wahrgenommen, dass die Kundgebung als Entwurf mehrere Wochen online diskutiert wurde[4]. Er hat erlebt, dass in drei Impulsreferaten[5] die Synodalen der EKD Einblicke und Anstöße zum Thema Digitalisierung bekommen haben. Und er könnte sehen, dass die Synodalen in einem intensiven Diskussionsprozess diese Kundgebung beschlossen haben – im Wissen um die Vorläufigkeit und Komplexität eines für viele neuen Themas. Dies zu recherchieren und dann erst eine Kundgebung zu beurteilen, verlange ich von jedem, der mit erstaunlicher Härte und beträchtlicher theologischer Voreingenommenheit sich dem Thema nähert.

Verschwiegen werden sollte auch nicht, dass die ELKB im Thema Digitalisierung nicht erst seit gestern tätig ist. Seit 1995 präsentiert sich die Landeskirche unter www.bayern-evangelisch.de. Mit dem Relaunch im letzten Jahr sind die Inhalte noch gezielter auf die User in ihren Lebenssituationen zugeschnitten, man sieht das insbesondere bei den Angeboten zu Taufe, Trauung und Bestattung. Die Konfirmanden haben seit 2001 eine eigene Plattform für Information, Service und Austausch rund um die Konfirmationszeit: www.konfiweb.de. Die Kinder kennen seit 2005 die Webseite www.kirche-entdecken.de, die Senioren vernetzen sich seit 2009 bei www.unsere-zeiten.de. Einen Ort für Trauer und für das Gedenken an Verstorbene gibt es auf www.trauernetz.de. Und selbstverständlich laufen alle Angebote auf eigenen Servern und verzichten auf jegliches Datensammeln. Die Arbeit der „Vernetzten Kirche“ sorgt seit 2001 für Angebote an Kirchengemeinden, sich im Netz mit eigener Homepage zu präsentieren und verhilft mit ihren Schulungen zu einem professionellen Umgang mit Internet und Social Media. Und ebenfalls seit 2001 gibt es das landeskirchliche Intranet, in dem Informationen zur Verfügung gestellt werden. Auch dies mit größtmöglicher Datensicherheit und Transparenz.

2012 verabschiedete der Landeskirchenrat eine Internetstrategie[6], die neben der Durchdringung digitaler Räume vor allem die Förderung von Medienkompetenz in den Blick nimmt. Im letzten Dezember-Amtsblatt wurden „Social-Media-Guidelines“ veröffentlicht, die allen in der bayerischen Landeskirche helfen sollen, wenn sie sich im Internet engagieren wollen. Und am 9. Mai 2015 findet zum fünften Mal der Internettag der ELKB  in Nürnberg statt … vieles weiteres wäre zu nennen: vom „web-Check“ der EJB bis zu zahllosen Engagierten in Gemeinden und Internetbeauftragten in Dekanaten. Alles nur, um sich als Kirche verantwortungsvoll im Netz zu bewegen und unseren Auftrag in der Welt gut wahrzunehmen.

Parallel dazu gibt es immer wieder sorgfältige und fundierte Überlegungen zu Datenschutz, Datenmissbrauch und der Freiheit des Netzes. Die Vernetzung der Internet- und Social-Media-Arbeitenden deutschlandweit in der evangelischen Kirche funktioniert, und im Netzwerk der europäischen christlichen Kirchen gibt es einen regen Austausch über Chancen und (!) Risiken der Digitalisierung. Es wäre hilfreich, wenn „einsame Rufer“ von der Wüste in diese Foren wechseln würden[7].

Vor diesem Hintergrund lassen sich die vier „Freiheitsfallen“, die Werner Thiede definiert und die bei  Ulrich Schneider-Wedding zu „Sackgassen“ werden, „in denen sich die Menschheit bei der Digitalisierung zu verrennen droht“, klarer betrachten.

Allen gemein ist die Unterstellung, technische Entwicklung sei allein durch wirtschaftliche Interessen bestimmt. Folge: Kirche lasse sich hier vor einen fremden Karren spannen und könne so nur scheitern. Diese Engführung missachtet, dass weite Bereiche des Netzes und der digitalen Anwendungen nicht von der Wirtschaft (was immer das auch sei) sondern von einzelnen Nutzern, Nutzergruppen und Initiativen geprägt und entwickelt werden. Noch immer und vermutlich nicht einholbar ist die wirtschaftliche Macht aller Internetuser sowie die Rechenleistung aller privater Computer größer im Vergleich zu der von Google oder der NSA. Open-Source-Produkte und bürgerschaftliche Anwendungen repräsentieren eine Entwicklung, an die sich die Wirtschaft angehängt hat und – das ist ja ihr ureigenstes Interesse – mit der sie Geld verdienen will. Wirtschaft ist also ein Teil der Digitalisierung, nicht das Ganze, und Kirche wie private User müssen ihre Eigenständigkeit sehen und wahrnehmen und jeweils entscheiden, ob der ein oder andere Nutzen eine wirtschaftliche Abhängigkeit rechtfertigt oder es nicht auch Wege gibt, Freiheit zu erhalten[8].

Eine weitere aus meiner Sicht falsche Voraussetzung dieser „Fallen“ ist die Annahme, digitale Kommunikation sei per se geringwertig im Vergleich zu „wahrer Kommunikation“ von Menschen im direkten Gegenüber. Konkret wird das in der Befürchtung, es entstehe eine „Zweigleisigkeit zwischen dem, wie ich wirklich bin, und dem, wie ich gesehen werden will“ und letztlich ein Verlust des Ichs, das sich abhängig gemacht hat von der Wahrnehmung anderer und deren Likes und Dislikes. Auch der Vorwurf, Gott könne zu diesem Ich nicht mehr durchdringen, gehört in diesen Zusammenhang.

Ich finde das überheblich. Denn es spricht jedem und jeder das Recht ab, auf andere Menschen bewusst wirken zu wollen. Jegliche Inszenierung und jeglicher Style, Ausdrucksformen wie Kleidung und Sprache sowie der ganze Bereich der Kunst werden so desavouiert. Denn all das ist eben auch Ausdruck, mediale Kommunikation, die immer einen Teil des Ichs ausblendet, um einen anderen zur Geltung kommen zu lassen. So gesehen ist ein Avatar da nichts anderes als eine liturgische Kleidung, der Tweed „Bin beim Essen“ gleich einem Zettel im Hausflur und ein Chat im Netz als mediale Kommunikation genauso eingeschränkt wie das Telefonieren oder Interaktion in Gottesdiensten.

Vollends zum Eigentor wird die Geringschätzung der digitalen Kommunikation gegenüber Menschen mit einer Behinderung. Ich habe einige Schwerhörige und Taubstumme erst schätzen und lieben gelernt[9], weil ihnen durch digitale Medien die Möglichkeit zur Kommunikation (wieder) gegeben war. Und ich hatte nie den Eindruck, von diesem Menschen nicht das „wahre Ich“ kennen lernen zu dürfen. Ja, manche Menschen, mit denen ich „normal“ reden kann, erscheinen mir da viel verlogener. Und viele Freundschaften, die ich habe mit Menschen, die ich nur via Internet kenne oder kennengelernt habe, möchte ich nicht missen. Nein, es gibt keine Minderwertigkeit von Kommunikation via digitaler Medien. Nur eine Andersartigkeit. Kommunikationsmüll gibt es überall.

Bei der „politischen Freiheitsfalle“ liegt der Fall anders. Hier wird eine – in meinen Augen missbräuchliche – Folge der Digitalisierung gleichgesetzt mit Digitalisierung selbst. Denn die Tatsache, Daten auch in großen Mengen speichern zu können, muss nicht zwingend dazu führen, dass eine schwer überschaubare Zahl von Unternehmen, Staaten oder Einzelpersonen Daten über Menschen sammelt, die der Nutzung dieser Daten nie zugestimmt haben. Es ist ein politisches Versäumnis, wenn Regierungen wirtschaftliche Interessen und die Macht anderer Staaten nicht ernst nehmen und die Rechte ihrer Bevölkerungen meinen nicht schützen zu müssen. Da fehlt mir auch ein deutliches Wort der Kirchen, die ihr Seelsorgegeheimnis im Internet nicht geschützt wissen dürfen.

Gleich beschämend ist es, wie wenige auch im Raum der Kirche bereit sind, Netzpolitik zu betreiben. Sascha Lobo hat auf der Internet-Konferenz re:publica 2014 mit Recht angemahnt, dass Erwachsene in Deutschland bereit sind, mehr Geld für den Schutz eines seltenen Vogels auszugeben als für die Freiheit und gegen Kommerzialisierung des Internets[10]. Auch gehen viele (auch im Raum der Kirche) erschreckend blauäugig mit neuen Techniken umgehen, um dann den „gläsernen Menschen“ als Schreckgespenst an die Wand zu malen[11]. In diesem Zusammenhang ist auch der Umgang von uns als Kirche mit Daten mindestens fragwürdig und in Punkto Datenschutz noch einiges zu tun[12].

Evangelische Kirche sieht diese Fehlentwicklungen und wirkt ihnen entgegen. Das kann sie, wenn und weil sie sich nicht abhängig macht von wirtschaftlichen Zwängen, sie sich kundig macht und Erfahrungen macht in der digitalen Welt und sie sich bewusst ist, dass Freiheit und Anerkennung von Gott geschenkt sind. Eine Totalverweigerung in Sachen Digitalisierung vergibt die Möglichkeit, die Digitalisierung wie jede neue Technik kritisch zu begleiten und weiter zu entwickeln.

Zugegeben ratlos bin ich bei den Vorwürfen, die Digitalisierung würde sinnlos Energie verbrauchen und durch gefährliche Strahlung Menschen und ihre Gesundheit gefährden. In beiden Feldern kommt die wissenschaftliche Forschung zu keinen eindeutigen Ergebnissen, die diese Position in ihrer Absolutheit rechtfertigen. Wenn Thiede und Schneider-Wedding der Digitalisierung quasi-religiöse Züge vorwerfen, erscheint mir auch der Kampf dagegen nicht wirklich ideologiefrei.

Wer hier eine eindeutige Positionierung der Kirche zu Gunsten „der Schwachen“ einfordert, spielt die einen Schwachen gegen die anderen Schwachen aus. Denn eine strahlungsfreie Kirche ohne digitale Technik ist auch eine ohne Cochleaimplantate, Herzschrittmacher, Überwachungsmonitore in Krankenhäusern, Herzschlagmonitore bei Neugeborenen, Notfalltelefone oder Röntgenaufnahmen. Alles Teufelszeug? Sicher, wer unter Strahlung leidet, muss alle Unterstützung bekommen, um möglichst strahlenfrei leben zu können[13]. Doch es kann eben dann auch die Folge sein, dass eine Arbeit auf einem Arbeitsplatz der ELKB nicht die richtige ist, wenn die Verwendung von Computern und ISDN-Telefonen im Rahmen der geltenden Bestimmungen des Arbeitsschutzes Teil dieser Arbeit ist. Kirche als Arbeitgeber kann das in meinen Augen auch verlangen. Ihr damit Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen ist starker Tobak und diskreditiert alle Anstrengungen, die Arbeit frei von Gesundheitsgefährdung zu halten.

Wichtiger finde ich es da, gottesdienstliche Räume möglichst strahlungsfrei zu halten. Selbst wenn ich keine Gefahr sehe, ist für mich die (auch nur gefühlte) Belastung der Menschen, die das so empfinden, Grund genug, ihnen die Gemeinschaft im Gottesdienst angstfrei zu ermöglichen. So sehr ich für den Einsatz von WLAN auch in Kirchen bin – man kann es ein- und ausschalten. Christ und Christin kann man ohne jegliche digitale Gerätschaft sein. Und mit.

Zuletzt: Kirche muss sich immer wieder entscheiden, wem sie sich wie zuwendet und wer die Adressaten ihrer Verkündigung sind. Wenn man davon ausgeht, dass ein Viertel der deutschen Bevölkerung – übrigens unabhängig vom Alter – die Verwendung digitaler Medien ablehnt[14], ist der Einsatz aller althergebrachten und analogen Kommunikationsformen gut begründet. Wenn aber drei Viertel der Bevölkerung – und es gibt keinen Hinweis, dass die Quote bei Evangelischen virulent anders ist – digitale Medien nutzen und etwa 20 Prozent aller Deutschen täglich in Sozialen Medien unterwegs sind, stellt sich für mich schon die Frage, warum dieser Teil unserer Mitglieder nicht da angesprochen wird, wo er und sie nun mal am häufigsten ist: im Netz. Evangelische Kirche ist hier nicht an der Spitze der Bewegung, aber es gibt viele gute, geistliche und wertvolle Internet-Anwendungen, die das Wort Gottes so zu den Menschen bringt. Und nein, dieses verliert durch die Umsetzung in digital vermittelte Kommunikation nicht automatisch an Wert[15].

Internetarbeit und Kommunikation in sozialen Netzen gehören daher zu den Lebensäußerungen von Christinnen und Christen in der Welt und es verändert die Welt, wenn wir auch hier Zeugnis ablegen und miteinander kommunizieren. Wer hier vorschnell urteilt, den lade ich ein sich auf Facebook, Twitter oder Instagram zu beteiligen und zu erleben, dass hier sehr wohl reale und wertvolle Kommunikation möglich ist und gelingt. Wer es hingegen vorzieht zu posten, er sei spazieren gegangen, obwohl er vor dem Fernseher saß, der ist auch in nicht-digitaler Kommunikation ein wenig wertvolles Gegenüber.

Eine blinde Kirchen-Einigkeit bei der Digitalisierung? Die sehe ich in der evangelischen Kirche nicht. Anstatt dessen ehrliches Bemühen um das Wort Gottes auch in digitalen Medien. Sorgfältiges Arbeiten mit digitaler Technik und einen festen Glauben, dass unser Seelenheil nicht davon abhängt, was wir an Technik verwenden oder vermeiden.

Pfarrer Christoph Breit
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Publizistik (P.Ö.P.)
Projektstelle Social Media und Networkmanagment



[1] Sehr lesenswert hierzu auch der Artikel „Das Dogma der neuen Netz-Konservativen“ von Alexander Pschera, erschienen in „Cicero“ Sept 14; www.cicero.de/salon/feuilleton-das-dogma-der-neuen-netz-konservativen/58250

[2] Sieht man die von Ulrich Schneider-Wedding dazu angegebene Quelle näher an, entdeckt man Kommentare ohne Polemik und zum Thema. Ein Shitstorm sieht nach meiner Erfahrung deutlich anders aus.

[3] Als PDF zu finden unter www.ekd.de/synode2014/schwerpunktthema/lesebuch/index.html

[4] Dabei wurden viele Formulierungen zugespitzt und so manche weniger sachgerechte Argumentation verbessert. Mitarbeiten konnten so auch Fachleute aus allen Landeskirchen und jenseits von Kirche.

[5] Nachzulesen oder –hören unter www.ekd.de/synode2014/schwerpunktthema/impulsreferate.html

[6] Dazu gehört auch die Einrichtung einer Projektstelle Social Media für drei Jahre, auf der ich arbeite.

[7] In diesem Zusammenhang sei auch der Vorwurf zurückgewiesen „vereinzelter Widerspruch wird in unserer sonst so diskussionsfreudigen Kirche ausgegrenzt“. Verschwörungstheorien dieser Art verdecken nur die Tatsache, dass die Protagonisten sich auf den offenen Foren und Veranstaltungen nicht beteiligen. Der Internettag der ELKB 2014 hatte die Gefahren der Digitalisierung zum Thema. Werner Thiede und Ulrich Schneider-Wedding habe ich hier vermisst. Und die EKD-Kundgebung stand acht Wochen zur Diskussion auf evangelisch.de. Auch hier habe ich von angeblich ausgegrenzten Argumenten nichts lesen können.

[8] Vgl. Galater 5,1. Das könnte auch bedeuten, nicht immer zu „googeln“, sondern auch auf anderen Suchmaschinen das Netz zu durchkämmen. Die Macht der Konzerne ist Folge unseres Nutzerverhaltens, nicht Ursache.

[9] Als Beispiel Julia Probst auf Twitter unter ‏@EinAugenschmaus

[10] Sascha Lobo: Rede zur Lage der Nation auf der re:publica 2014 http://youtu.be/3hbEWOTI5MI

[11] Viele schlechte Erfahrungen im Bereich der Social Media fußen nach meiner Erfahrung auf mangelnder Kenntnis der Sicherheitseinstellungen der jeweiligen Plattform. Das aber ist keine Besonderheit der digitalen Medien. Auch eine Packung Streichhölzer verursacht falsch angewandt Schäden. In Sozialen Medien gilt zum Beispiel: „Poste und zeige nur das, was du auch auf dem Marktplatz deiner Stadt sagen und zeigen würdest.“ Der „gläserne Mensch“ ist oft einer, der sich die Regel so gläsern zeigen will. Schulung kann hier viel bewirken.

[12] Die EKD hat deswegen ja auch einen eigenen Datenschutzbeauftragten, der im vergangenen Sommer seine Arbeit begonnen hat. Bemühungen der ELKB in Sachen „Sicheres Kirchennetz“ und Mailverkehr gehören ebenfalls dazu. Der Widerstand mancher dagegen ist aus Sicht des Datenschutzes jedoch schwer verständlich. Aktuell wird an der Bereitstellung von Verschlüsselungstechnik für den Mailverkehr gearbeitet. Der Einsatz von Virenscannern und sicheren Passwörtern sollte eigentlich schon Selbstverständlichkeit sein … ist doch nach meiner Erfahrung wenig verbreitet.

[13] Vor diesem Hintergrund sei erwähnt, dass der Internetzugang über LAN weniger gesundheitsschädlich ist als der Einsatz von WLAN. Auch ermöglichen es moderne Router, das WLAN zu bestimmten Zeiten wie in der Nacht automatisch auszuschalten.

[14] Entsprechende Statistiken belegen einen entsprechenden Offliner-Anteil durch alle Altersstufen. Siehe dazu “Into the Wild? Nicht mit mir!” Warum Menschen das Netz nicht nutzen von der re:publica 2014 http://youtu.be/9ExYv2HRHEQ

[15] Diesen Disput hatte ich in Dresden mit einem EKD-Synodalen, der behauptete: Gottes Wort wird allein durch die Digitalisierung weniger mächtig. Eine spannende These und eine mir fremde Vorstellung von Gottes Wegen, die bekanntlich viele Möglichkeiten haben.

SocialMediaTool #5 Content is king!

Nach meiner Beobachtung beginnen viele Kirchengemeinden ihre Netzaktivitäten bei der Struktur: welche Menüführung hat die Homepage, wer darf was schreiben und wie sieht der Layout der Seite aus. Vielfach vergebene Liebesmüh! Denn entscheiden sind Geschichten und Bilder.

Die alte Weisheit, dass sich Geschichten zu 80 Prozent über Bilder erzählen, gilt anscheinend bei Kirchens nicht. Da ist Text, Text und nochmals Text, der es retten soll.

Mein Tipp: Fotografieren Sie mehr, als sie schreiben. Engagieren Sie lieber einen Fotografen anstatt Geld für farbige Plakate oder Flyer auszugeben. Denn die Bilder, die sie bei einem Event publizieren, bewerben gleich den nächsten. Texte sollten dazu maximal 1000 Zeichen lang sein und möglichst kein Geheimwissen voraussetzen.

Wenn Sie gute Bilder und knackige Texte auf ihrer Homepage veröffentlichen, haben Sie Posts in Social Media, die sich gut verbreiten. Content is king!