Schlagwort-Archiv: Helsinki

Eindrücke und Bruchstücke von der #ecic20

Das Tolle an Netzwerken ist, dass sie bereichern: durch den Austausch bei allen Gelegenheiten. Durch interessante Keynotes. Und durch Freundschaften quer durch Europa, wie bei der #ecic, der European Christian Internet Conference. Zum 20ten mal fand sie statt. Dieses Mal auf Einladung der finnischen lutherischen Kirche in Helsinki. Das Thema „Let us play – Gamification, Storytelling and Faith“.

Gamification ist eines der aktuellen Buzzwords. Und wie oft versucht Kirche, auf einen aktuellen Trend aufzuspringen um zu verbergen, dass sie in vielem hinterher ist. Die ECIC ist dem nur selten erlegen und wer Vorschläge in diese Richtung machte, wurde von den anderen schnell entlarvt. Spannender war es da, die unterschiedlichen Welten nebeneinander zu legen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu entdecken. Hier die Welt der Gamer, dort das wahre Evangelium. Hier Lernen im Spiel, dort oft spassfreies Unterrichten.

Was Spiele und Spieler für Gesellschaft und Arbeitswelt bedeuten, erklärte Jyrki Kasvi von kasvi.org. Spieler haben jede Menge Fähigkeiten entwickelt und lernen schneller als andere, jedenfalls Spielinhalte. Zu Spielen gehören Regeln und herausfordernde Ziele. Der Erfolg im Spiel lässt sich messen. Man kann den Verlauf beeinflussen. Interessant sind dabei Spiele nur so lange, wie sich Herausforderung und Kompetenzen die Waage halten. Und im Verlauf der Tagung immer wichtiger: Mitspieler geben ein unmittelbares Feedback, die helfen, aus Fehlern zu lernen. Verglichen mit der Arbeitswelt zeigt sich die Nähe zum Spiel auch daran, dass wir immer mehr mit Menschen zusammen arbeiten, die mit uns virtuell verbunden sind.

Der Gamer und finnische Parlamentsabgeordnete Jukka Koskenkanto spann den Faden weiter. Wie, wenn man Spiele-Mechanismen aus der Spiele-Welt nimmt um Menschen zu motivieren. Beispiel: ein Auto, das anzeigt, wie umweltfreundloch man fährt und im Tacho Kilometer pro Liter anzeigt. Oder der Google PowerMeter, den Stromverbrauch des eigenen Haushalts vergleicht mit dem der Nachbarn oder dem des Vorjahrs. Verkehrserziehend auch das: eine Radarkontrolle bestraft zu schnelle Autofahrer und schüttet das Bußgeld in einer kleinen Lotterie an Autofahrer aus, die auf derselben Streck im Limit blieben. Gamification ermöglicht so schnelles und spielerisches Lernen. Das einzige Problem: die angewandte Spielidee sollte keine schlechten Regeln enthalten. Es sollte kein Betrug möglich sein und natürlich sollte man nicht falsche Verhaltensweisen fördern.

Und warum gamification? Es gibt 2,56 Billionen Smartfone-User, 936 Million Menschen sind täglich auf Facebook aktiv. Und bis zu 70 Prozent der Menschen sind glücklich, wenn sie zusammen mit Freunden und Familie sind. Computer und Smartphones sind also eine breite Kontaktfläche mit vielen Möglichkeiten.

Zu Veränderungen bei Menschen führen dabei nur Aktionen, nicht das darüber reden. Dabei hat jeder und jede von uns eine Komfortzone. Hier ist man gerne, doch entsteht hier keine Veränderung. Die beginnt mit dem Wechsel in die Un-Komfortzone, in der sich niemand lange aufhalten mag.  Der Wechsel beruht auf einer bewußten Entscheidung. Die körperliche Belohnung ist Dopamin, das ausgeschüttet wird im Zwischenraum zwischen pleasure und motivation.

Und die fast wichtigste Erkenntnis für mich auf der #ecic20: Organisationen sterben nicht, weil sie das Falsche tun. Sie sterben, während sie Dinge tun, die das richtige für zu lange Zeit gewesen sind. Mit Luther gesprochen: ecclesia semper reformanda. Oder in meinen Worten: wenn du denkst, es läuft gut, ist du wahrscheinlich schon hinten dran.

Alle Inhalte der #ecic20 auch als Videos unter www.ecic.org

Die nächste #ecic21 findet von 31. Mai bis 3. Juni in Göteborg/Schweden statt.

Oh nein, nicht auch noch Facebook!

„Oh nein! Nicht ich! Das war meine erste Reaktion, als mein Team mir vorschlug, ich sollte meinen eigenen Facebook-Account haben. Nicht mehr in all‘ den Verantwortlichkeiten, die ich schon habe. Und nicht in meinem Alter …“ Die Bischöfin von Helsinki kIrja Asola ist ehrlich, wenn sie über ihren Facebook-Auftritt spricht. Und Facebook wird, so die Bischöfin, ein Teil ihrer Sprititualität, weil sie niemand anders als sie selbst sein muss und sie über Soziale Medien Menschen erreicht, die sonst nie in die Kirche kommen würde.

Kaisa Kariranta aus dem Öffentlichkeitsteam der Bischöfin erläuterte auf der #ecic20 den Workflow: Am Montag setzt sich Bischöfin Askola an den Schreibtisch und meditiert zum ersten Mal über den Predigttext des folgenden Sonntags. Bis Freitag schickt sie ein Text, der zwischen Gebet, Lyrik und Prosa changiert, an ihr Team, das auf Ihrem Account am Sonntag um 9 Uhr postet. Die Reichweiten sind beachtlich: Über 7.500 Follower verschaffen den bischöflichen Posts Reichweiten bis 40.000, in Einzelfällen bis 100.000. 100 bis 500 mal wird ein Post geliked und bis zu 150 Mal – das ist eine erstaunlich hohe Zahl bei Kirchens – geteilt.

„Ich danke meinem Team, dass es mich so gedrängt hat“ sagt Bischöfin Askola in Ihrem YouTube-Video, in dem Sie ihre facebook-geschichte erzählt. Und in meinem Augen ist dieses Video und die SocialMediaAktivität der Bischöfin ein gutes Beispiel, was möglich ist und funktioniert.